IDEEN AUF VORRAT
Niemand kann in die Zukunft blicken. Das ist eine Binsenweisheit. Allerdings ist daran nichts Schlimmes. Im Gegenteil: Die Offenheit der Zukunft gehört wesentlich zum Erfolg unserer Spezies.
Vergleichen Sie sich mit einem Roboter. Ein Roboter weiß sehr genau, wie seine Zukunft aussehen wird: er
wird seine Routine einfach fortsetzen. Oder er geht kaputt. Menschen hingegen sind in der Lage, sich auf
immer neue Situationen einzustellen und neu zu entwerfen. Manchmal straucheln sie, oder scheitern. Aber
auch das können sie nur, weil sie begnadete Improvisationskünstler:innen sind. Für Unternehmer:innen
gilt das besonders. Sie bringen meist ein gehöriges Talent für Improvisation mit. Sie sind es gewohnt, ungewohnte Wege zu gehen. Gleichzeitig gehört es zum Unternehmertum wie überhaupt zur menschlichen Existenz, dass man sich um die Zukunft sorgt. Auch das ist etwas Gutes.
Nur Wesen, denen es um etwas geht, die einen Sinn haben, können sich um ihr Dasein sorgen.
Umso mehr fragen wir uns natürlich: Wie können wir uns besser auf die Zukunft einstellen? Wie können wir
vor-sorgen, nicht im finanziellen, sondern im philosophischen Sinne? Sie werden viele Coaching-Angebote finden, Tools, Ratgeber und Heilsversprechen. Auffällig ist, dass offenbar keine:r komplett Recht hatte, sonst gäbe es die anderen nicht.
Eine Sache wird allerdings immer dabei gewesen sein. Seit gut 300.000 Jahren: das Denken.
Die Fähigkeit, Urteile zu fällen, Ideen zu haben und Entscheidungen zu treffen. Die gute Nachricht: Das
Denken verlässt Sie nie. Die noch bessere Nachricht: Sie brauchen dafür, wie die Ökonomin Kate Raworth
einmal gesagt hat, nur einen Bleistift und ein Stück Papier, „denn mit einem Bleistift kann man die Welt
neu zeichnen“ (Kate Raworth, Die Donut-Economy).
Hier verrate ich Ihnen einige andere Tricks:
1.) Denken profitiert von Köpfen. Seien Sie sich nie zu
schade, dumm nachzufragen. Denn das ist alles andere als dumm. Geben Sie dem Kind in Ihnen einen
Schubs und fragen alle bekannten und unbekannten
Menschen in Ihrem Umfeld wieder öfters: Warum?
2.) Denken profitiert von Vielfalt. Wir hören zu gern,
was unsere Routinen bestätigt. So sind wir Robotern
manchmal ähnlicher, als uns lieb sein kann. Wer out
of the box denken will, muss out of the box gehen.
Suchen Sie das Gespräch mit jenen, die Sie sonst nicht
sprechen und vor allem jenen, denen Sie noch (zu)
wenig zugehört haben. Lassen Sie sich überraschen!
3.) Denken kann man trainieren. Jemand hat mal gesagt: „Jede:r kann denken. Bloß machen es nicht alle.“
Das ist nicht wahr. Alle machen es. Trotzdem können
wir uns verbessern. Nicht umsonst sprechen wir
schließlich auch von unserer Urteilskraft. Mein Tipp:
Nutzen sie dafür bloß nicht irgendwelche Gehirntraining-Apps. Gründen Sie lieber einen Lesekreis. Besuchen Sie einen Philosophie-Kurs. Es ist die gemeinsame Diskussion von unterschiedlichen Weltsichten, an
denen Ihr Urteilsmuskel wächst.
Der letzte Trick lautet darum einfach: Denken Sie nie
allein! Erklären Sie sich und seien Sie sich nie zu schade, sich die Welt von anderen erklären zu lassen.
Sie werden immer noch nicht wissen, was die Zukunft
bringt. Aber Sie werden einen Vorrat an Ideen angelegt haben, der Sie für verschiedene Zukünfte wappnet. Die beste, kostenlose Anlage, die Sie derzeit machen können: Haben Sie viel Spaß beim Denken!
Manuel Scheidegger ist Philosoph.
Er hilft Organisationen, in ihrem Denken weiter zu kommen.